Was ist eigentlich genau die Wolfssprache, warum heißt sie so? Warum wenden wir besser die Giraffensprache an? Und vor allem: Wie geht das?
Komm mit auf eine kleine Entdeckungsreise zu den Ursprüngen der Gewaltfreien Kommunikation und finde heraus, was dir das für deinen Familienalltag bringt!
Was ist die Wolfssprache genau?
Der Begriff Wolfssprache geht auf den Begründer der GfK zurück: Marshall B. Rosenberg. Von ihm können wir ganz viel über die Macht von Worten lernen. Denn dass Worte so sehr verletzen können, dass es manchmal schlimmer wehtut als eine körperliche Verletzung – das haben wir leider alle schon mal erfahren.
Um seine Botschaft von der Gewaltfreien Kommunikation verständlich und anschaulich zu machen, wählte Rosenberg zwei Tiere als Sinnbilder für unterschiedliche Arten der Kommunikation. Der Wolf ist ein Raubtier und kann seine scharfen Zähne tief in das Fleisch seiner Beute graben – so, wie wir mit Beleidigungen, Drohungen und anderen Aussagen Mitmenschen verletzen können. Aufgrund seiner Körpergröße kann er Situationen eher schlecht überblicken. Wenn er kommuniziert, dann oft durch Gebell. Die Wolfssprache ist also eine Kampfsprache, eine gewaltvolle Sprache. Was alles unter Wolfssprache fällt, schauen wir uns später noch genauer an. Da lauern nämlich einige spannende Erkenntnisse!
Der Gegenpart des Wolfs ist übrigens die Giraffe. Sie steht für Gewaltfreie Kommunikation, denn die Giraffe kann mit ihrem langen Hals alles überblicken. Und: Sie hat unter allen Landtieren das größte Herz, in das sie hineinhorchen kann. Die Giraffensprache ist die Sprache des Herzens.
Die Wolfssprache - ein Beispiel aus dem Familienalltag
Stressige Situationen gibt es im Familienalltag viele, und oft rutscht uns dann ein Wolfssatz raus. Ich möchte es gern mit einem Beispiel genauer erklären. Nehmen wir einen Klassiker, den wir sicher alle kennen: Dein Kind will keine Jacke anziehen, wenn ihr morgens aus dem Haus geht. Wolfssätze wären dann beispielsweise:
- „Ich hab dir schon hundertmal gesagt, dass du morgens eine Jacke brauchst!“
- „Musst du schon wieder so ein Theater machen!?“
- „Wenn du nicht sofort deine Jacke anziehst, dann …“
- „Kannst du nicht eeeeeinmal machen, was ich dir sage!?“
Du erkennst sicher das Muster:
Wolfssprache verletzt, beschämt, beschuldigt. Wolfssprache trägt kaum zur Verständigung bei, wir verlieren die Verbindung. Wenn dein Kind trotzdem die Jacke anzieht, hast du vielleicht mehr verloren als gewonnen. Denn dein Kind handelt ja dann keineswegs aus Freiwilligkeit, sondern aus Angst oder Ohnmacht bzw. Hilflosigkeit. Das Kind mit seinen Bedürfnissen sehen und achten – das geht anders.
Die besonderen Eigenschaften der Wolfssprache
Wolfssprache ist also verletzend, beschämend, beängstigend, verurteilend. Bei den Beispielsätzen, die ich dir genannt habe, liegt das klar auf der Hand. Beschimpfen, Kritisieren, Bedrohen und Bestrafen sind ganz klar Wolfssprache. Die Wolfssprache ist jedoch tückisch: Manchmal versteckt sie sich in Aussagen, die erst mal freundlich klingen.
Jede Art der Beurteilung und Etikettierung gehört zum Beispiel auch in die Kategorie Wolfssprache. Also immer, wenn wir jemanden in eine Schublade stecken, lauert der Wolf hinter der Ecke. „Sei doch nicht so schüchtern“, „Du bist echt fleißig“, „Du bist ein eher introvertierter Mensch, oder?“ – alles Wolfssprache.
Warum das Wolfssprache ist, auch wenn es gut gemeint ist? Weil wir mit diesen Etiketten anderen vorschreiben, welche Art Mensch sie sind. Wir urteilen über sie – ganz gleich, ob unser Gegenüber diese Sicht auf sich teilt.
Und jetzt wird es richtig spannend: Denn auch Belohnungen entstammen der Wolfswelt! Beispiele gefällig? „Das hast du toll gemacht!“, „Prima!“
Denn wer belohnt, erhebt sich zum Richter oder zur Richterin über das Verhalten des Kindes: Ich bestimme dann, ob das was das Kind getan oder unterlassen hat, gut oder schlecht, richtig oder falsch ist. Ich beurteile mein Kind. Hand aufs Herz: Dabei geht es in erster Linie um uns selbst. Es bleibt uns verborgen, was in unserem Kind gerade wirklich vor sich geht und wie es ihm geht. Das hat mit Verbindung, Verständnis, Nähe wenig zu tun – doch da wollen wir ja hin.
Und dann gibt es noch eine ganz spezielle Kategorie Wolfssprache, die auch Marshall B. Rosenberg schon beschrieben hat: den Themenklau. Der findet vor allem zwischen Erwachsenen statt und du kennst das Prinzip ganz sicher auch. Was mit Themenklau gemeint ist? Stell dir Folgendes vor: Du bringst dein Kind in den Kindergarten und begegnest beim Rausgehen einer Mama, die du lose kennst. Sie fragt: „Wie geht’s dir?“ In der Annahme, dass sie sich wirklich für dein Befinden interessiert, antwortest du ehrlich: „Gerade etwas gemischt. Mein Kleiner bekommt zurzeit den dritten Zahn und ich habe wenig geschlafen.“
Themenklau ist, wenn diese Mama nun ohne Umschweife dein Thema für sich ummünzt, z. B. so:
„Ach ja, das kenne ich. Bei meiner Kleinen war es ja so, dass … blablabla usw.“
Und dann spricht sie fünf Minuten lang über ihre Probleme. Das ist Wolfssprache, denn der Themenklau zeigt, dass sich dein Gegenüber wenig für dein Befinden interessiert.
Vielleicht spielt sie dein Problem sogar herunter oder gibt „gutgemeinte“ Tipps, was du tun solltest – und lässt dich dastehen, als ob du ihren Rat bräuchtest, um eine Lösung für deine Herausforderung zu finden.
Was macht die Wolfssprache mit uns, was macht die Wolfssprache mit deinem Kind? Sie löst Schuld, Angst und Scham aus. Dazu vielleicht noch Unbehagen, Frustration, Ärger, Wut, Zorn, Stress, Betroffenheit, Hilflosigkeit, Verlegenheit: alles durch und durch unangenehme Gefühle.
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So wandelst du die Wolfssprache in jeder Situation konsequent in Giraffensprache um
Das Wolfsgebell ist kein Weg, um in die Verbindung zu kommen – so viel ist klar. Doch wie gelangen wir denn nun in die respektvolle und wertschätzende Kommunikation ohne (Vor-)Urteile und Bewertungen, und das auch in schwierigen Situationen? Ich stelle es dir in vier einfachen Schritten vor!
Schritt 1: Beobachte die Situation
Die Situationen zu beobachten, ohne sie zu bewerten – das ist der wichtige erste Schritt. Du verschaffst dir einen Eindruck davon, was gerade passiert. Dabei verzichtest du auf Interpretationen und Beurteilungen. Schau dir nur genau das an, was du siehst.
Schritt 2: Erspüre das Gefühl
Was macht die Situation mit dir, welches Gefühl hast du dabei? Versuche, das Gefühl möglichst genau zu benennen.
Schritt 3: Finde das unerfüllte Bedürfnis
Was will dein Gefühl dir über dich sagen? Welches Bedürfnis ist bei dir gerade unerfüllt? Auch dabei hilft dir die Gefühls- und Bedürfniskarte. Wenn du dir darüber im Klaren bist, welches Bedürfnis bei dir gerade unerfüllt ist, liegt die Lösungsstrategie meistens schon recht deutlich vor dir.
Schritt 4: Formuliere deine Bitte
Du kannst jetzt wertschätzend formulieren, was du gerade bräuchtest, und dein Kind zur Kooperation einladen. Formuliere eine Bitte an dein Kind, um es in die Freiwilligkeit zu holen.
Übung macht den Meister und die Meisterin!
Am Anfang kommt dir das vielleicht total kompliziert und umständlich vor. Ich kann dich beruhigen: Je öfter du das übst, umso leichter fällt es dir. Irgendwann wird dieser Prozess ganz automatisch bei dir ablaufen.
Am besten beginnst du die Giraffensprache in ruhigen Situationen zu üben. Denn wenn du gerade Hals über Kopf in einer Stresssituation steckst und in deinem vegetativen Nervensystem alles auf Alarm steht, ist es schwierig, sich eine neue Herangehensweise an solche Situationen anzueignen. Doch je öfter du die vier Schritte durchspielst, desto eher gelingt es dir auch in herausfordernden Situationen.
Zusammenfassung
Die Giraffensprache hilft uns, einander zu verstehen. Und deshalb kommunizieren wir ja miteinander: weil wir verstehen wollen und weil wir verstanden werden wollen. Werden wir mit der Wolfssprache keine Konflikte und keinen Streit mehr haben? Keineswegs! Das wäre auch wenig wünschenswert, denn Konflikte werden immer wieder auftreten und sie sind wichtig. Doch mit der Giraffensprache können wir Konflikte so viel wertschätzender und auch lösungsorientierter gestalten – oder lass mich sagen: liebevoller.
- Liste
Mein Vorschlag:
Lasst uns versuchen, die Verurteilung rauszunehmen. Lasst uns aufhören, das vermeintlich „Schlechte” im Menschen zu sehen. Lasst uns lieber hinschauen, hinhören und hinspüren, was das Kind uns mitteilen möchte: welches Bedürfnis es sich mit dem Stehlen zu erfüllen versucht!
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