“Du blöde Scheiß-Mama!”,
“Du doofer Kack-Papa!”
Hand auf’s Herz – kennst du das auch? Ihr seid mitten in einem Konflikt, die Gefühle deines Kindes sprudeln über und plötzlich sind sie da, Schimpfwörter und Beleidigungen.
Du bist überrascht, vielleicht sogar traurig oder wütend. Und möglicherweise ist dein erster Impuls:
“Das geht so nicht. Wir müssen alle freundlich zueinander sein!”
oder
“Man benutzt doch keine Schimpfworte.”
Diese oder ähnliche alte Glaubenssätze oder Prinzipien, die dir als Kind eingetrichtert worden sind, können ohrenbetäubend laut werden, sobald dein Kind dich beleidigt.
Wie könntest du also reagieren?
“Das sagt man nicht”.
Oder
“Das ist respektlos! Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, sprichst du anständig mit mir”
könnten Sätze sein, die dir als erstes in den Sinn kommen. Möglicherweise, weil du sie selbst oft gehört hast.
Doch dein Kind respektlos?
Atme kurz durch und lass mich dir sagen:
Es geht anders.
Zuerst einmal müssen wir ja gar nichts. Ob “man” Schimpfworte benutzt oder nicht, kann dir und mir herzlich egal sein.
Und deinem Kind erst recht.
Ich möchte dir heute stattdessen zeigen, was hinter den Schimpfwörtern deines Kindes steckt, wie du herausfindest, was es dir eigentlich sagen möchte und wie du auf vermeintliche Beleidigungen reagieren kannst.
Denn ich bin der festen Überzeugung, dass Schimpfwörter kleine Liebeserklärungen sind – ich bin gespannt, ob du das am Ende dieses Artikels auch so siehst.
Arschloch, Scheiß-Mama & Co. -
das steckt hinter den Kinder-Beleidigungen
Zuerst einmal:
Schimpfwörter gehören in jeder Familie dazu, ganz egal, wie Eltern und Kinder damit umgehen. Erst vor wenigen Wochen war ich selbst in den Augen meiner Tochter die blödeste und kack-scheißigste Mama auf der ganzen Welt.
Ob, wie viele oder welche Beleidigungen und Schimpfwörter dein Kind benutzt ist also absolut unabhängig von deinen Qualitäten als Mutter oder Vater. Die Frage ist nur, wie du darauf reagieren möchtest.
Willst du dein Kind bestrafen, es zurechtweisen oder verstehen, was es braucht? Ich gehe einfach mal davon aus, dass es letzteres ist – schließlich bist du hier in meinem Elternblog gelandet.
Und falls doch, magst du vielleicht hier mal reinlesen:
Konsequentes Erziehen ohne Strafen – 5 Tipps, um auf Bestrafung zu verzichten.
Also lass uns loslegen.
Sagt dein Kind nun beispielsweise “Du blöde Kackscheiß-Kuh!”,
erzählt es dir damit etwas über sich.
Es versucht sich, ein eigenes Bedürfnis zu erfüllen. Jaja, ich gebe zu, dieser Weg ist tatsächlich wenig gesellschaftskonform. Nur ist das kein Grund, dein Kind dafür zu beschuldigen oder zu bedrohen.
Stattdessen darfst du dir eine Grundannahme der Gewaltfreien Kommunikation immer wieder vor Augen halten: Mit allem, was ein Mensch tut oder sagt, tut er es FÜR SICH statt GEGEN dich.
Dein Kind hat also ein Problem.
Es ist sauer, wütend oder traurig und hat mindestens ein unerfülltes Bedürfnis. Es möchte sich um sich kümmern, sich dir mitteilen und dich um Hilfe bitten. Schimpfwörter oder Beleidigungen zu nutzen ist gerade die einzige Art und Weise, in der es ihm gerade möglich ist, auf sich aufmerksam zu machen.
Klar, denkst du,
“warum denn nun so? Das geht doch auch anders!”
Und ja, das geht es – und genau das darf dein Kind lernen. Mit deiner Hilfe. Statt also in die Verurteilung zu gehen, lautet auch hier das Zauberwort Empathie.
Wie kommst du nun weg von “Das sagt man aber nicht” hin zu aufrichtiger Verbindung?
So reagierst du am besten darauf
Wie das gehen kann, möchte ich dir nun zunächst einmal an folgendem Beispiel zeigen:
Ich bringe meine Tochter Waltraud ins Bett, lese ihr vor und kaum bin ich fertig, höre ich ein
“Du bist eine doofe Mama!”
Jetzt könnte ich den Wolf rauslassen, wütend werden, ihre Worte persönlich nehmen, sie bestrafen.
Stattdessen denke ich mir
‘Ah, sie kümmert sich gerade um sich. Was möchte sie mir wohl sagen?'
und frage:
“Hey Waltraud, du bist gerade echt total sauer, oder?”
“Ja, du doofe, blöde Kuh!”
“Oh ja, ich höre, wie sauer du bist! Wenn du sagst ‘Du doofe, blöde Kuh' willst du mir deine Sauerigkeit zeigen, stimmt's?”
Waltraud liebt ihr eigenes Wort “Sauerigkeit”.
“Ja, Kack-Mama.”
“Du bist echt sauer, weil du alleine entscheiden wolltest, wie lange ich dir vorlese, kann das sein?”
“Ja genau, das ist doof. Ich will, dass du noch mehr vorliest”
Aaaaaha. Hinter Waltrauds Schimpfwörtern steckt also ihr Gefühl – sie ist sauer.
Warum?
Weil ihr Bedürfnis nach Autonomie unerfüllt ist. Statt nun auf das respektlose Verhalten meines Kindes zu reagieren und zu maßregeln, mit Sätzen wie „So redest DU nicht mit mir“, finde ich heraus, was sie mir sagen möchte und vor allem, was sie wirklich braucht.
Das kannst du auch – wie genau, zeige ich dir in den folgenden 5 Schritten.
1. Übersetze die Schimpfwörter deines Kindes
Immer und immer wieder übersetzt du die Schimpfwörter deines Kindes und benennst stattdessen seine Gefühle und/oder seine Bedürfnisse.
Irgendwann wird dein Kind statt
“Du Arschloch”
sagen:
“Oh man, ich bin richtig sauer!”
Und vielleicht wird es irgendwann sogar noch ein Bedürfnis dazu benennen können. Hab Vertrauen. Ich lebe und erlebe das mit meinen eigenen Kindern wirklich.
2. Schenke Empathie
Egal, welches Schimpfwort dein Kind auch verwendet – es möchte dir etwas über sich erzählen.
Also hör zu. Sieh hin. Nimm dein Kind wahr. Statt ihm zu vermitteln, dass es “falsch” ist oder nur liebenswert, wenn es sich “richtig” ausdrückt, schenke ihm Empathie und findet gemeinsam heraus, welches seiner Bedürfnisse erfüllt werden möchte.
3. Komm in Verbindung
Ich bin der Meinung, Schimpfwörter sind ein Geschenk. Sie sind eine Einladung, genauer hinzusehen, zu verstehen, was dein Gegenüber braucht und die Möglichkeit, in Verbindung zu kommen.
Lass die Angst draußen, dass dein Kind Schwierigkeiten haben wird, klarzukommen – vertrau auf die Empathie und die Verbindung. Wir dein Kind gesehen und gehört, ist es bereit, zum Wohle der Gemeinschaft beizutragen.
Als mein Sohn Günther vor einigen Jahren, er war 8, am Abendbrottisch plötzlich “Du Schlampe” zu mir gesagt hat, war ich – ich sage es dir ganz ehrlich – erstmal geschockt.
Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Nachdem wir herausgefunden hatten, was eigentlich los war, haben wir das Wort gegoogelt, gemeinsam überlegt, wo er das wohl her hat und was es eigentlich bedeutet. Gemeinsam haben wir überlegt, was er stattdessen sagen könnte, wenn er sauer ist. Es war ein Geschenk.
4. Bleib bei deinem Kind
Puh, Schimpfworte können uns als Eltern ganz schön triggern.
Ganz klar, viele dieser Worte enthalten so viele Bedeutungen, die wir gern von uns und unseren Kindern fernhalten wollen.
Und doch:
Dein Kind handelt FÜR sich statt GEGEN dich, erinnerst du dich?
Dein Kind nutzt dieses Wort, weil es das irgendwo gehört und aufgeschnappt hat – es probiert sich aus und weiß keinesfalls um die Bedeutung, die es für dich haben kann.
Das Schimpfwort erzählt also etwas über dein Kind.
Bist du dennoch überrascht oder gar geschockt, halte kurz inne, atme. Bleib in der Situation und bei deinem Kind, das dir gerade etwas über sich erzählen möchte, statt dich angegriffen zu fühlen.
Und genau dabei kann dir die Haltung der GfK eine wertvolle Stütze sein.
Weitere Impulse, wie du mit deiner eigenen Wut umgehst, findest du in meinem Herzenslexikon: Mein Kind macht mich aggressiv – die Wut gegen das eigene Kind.
5. Kümmere dich um dich
Triggert dich ein Schimpfwort deines Kindes sehr, darfst du nachfühlen, warum das so ist. Welches deiner Bedürfnisse ist unerfüllt? Vermutlich denkst du sofort an “Respekt”.
Falls dem so ist – und eigentlich auch in jedem anderen Fall – empfehle ich dir Podcast-Folge “64 R- Wie Respekt – Wie dein Kind endlich respektvoll mit dir umgeht”.
Es ist eine meiner absoluten Lieblingsfolgen.
Ich bin mir allerdings zu 99,9% sicher, dass hinter all den durch die Schimpfwörter deines Kindes ausgelösten Gefühle dein Bedürfnis nach Empathie steckt.
Wie war das bei dir damals, als du Schimpfwörter benutzt hast? Wurdest du gehört und gesehen?
Durftest du ohne Drohungen “Arschloch” sagen? Wahrscheinlich nicht. Und jetzt soll dein Kind Schimpfwörter benutzen dürfen?
Das kann erstmal schwer für dich sein. Doch weißt du was? Du bist erwachsen. Du darfst dir rückwirkend Empathie schenken, im Hier und Jetzt, und es heute anders machen.
Eben WEIL du genau weißt, wie schmerzhaft der andere Weg war und wie du dich damals gefühlt hast.
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Egal ob in der Kita, in der Schule, im Freundeskreis oder bei euch zu Hause:
Dein Kind wird immer wieder neue Schimpfwörter aufschnappen und sie neugierig ausprobieren.
Statt diese vehement aus seinem Wortschatz zu streichen, können dir folgende Tipps für den langfristigen Umgang mit solchen Beleidigungen helfen.
Tipp Nr.1: Übersetzen, übersetzen, übersetzen.
Übersetze jedes Schimpfwort in Gefühle und Bedürfnissen.
Egal wie oft, auch wenn du alle fünf Minuten ein neues Wort hörst.
“Puh, du willst mir gerade zeigen, wie doof du das findest, oder?”
So könnt ihr durch all die “Doofe Mama”s und “Blöder Papa”s jedes Mal in Verbindung kommen und dein Kind lernt, wie es anders geht.
Tipp Nr.2: Vorbild sein..
Dein Kind lernt neue Wörter anhand dessen, wie du – und natürlich sein Umfeld – kommuniziert. Gibt es Wörter, mit denen du persönlich Schwierigkeiten hast, ist es also hilfreich, wenn du selbst darauf achtest, auf diese zu verzichten.
Tipp Nr.3: Grenzen setzen & Alternativen suchen.
Setze bei bestimmten Worten deine Grenze im Sinne der GfK. Das könnte beispielsweise so aussehen: “Du hast gerade ‘Du Schlampe’ zu mir gesagt. Da habe ich mich total erschrocken, weil mir wichtig ist, dass wir freundlich miteinander sind. Wollen wir mal überlegen, was du stattdessen sagen kannst, wenn du wütend bist?”
Du wünschst dir mehr Impulse dazu?
Wie du mit 5 einfachen Übungen Kindern Grenzen setzen kannst – liebevoll, geduldig & ohne Wut.
Tipp Nr.4: Schimpfwörter finden, die für euch okay sind.
Schimpfwörter sind für mich nur Worte – wir interpretieren das Schimpfen und packen sie selbst in diese Schublade.
Dabei können solche Worte grundsätzlich eine Strategie sein, starke Gefühle überhaupt erstmal wahrzunehmen und auszudrücken. Findet daher gemeinsam Worte, die für euch okay sind.
Ich liebe es beispielsweise, laut “Fuck” zu rufen, wenn irgendwas komplett schief läuft und finde es gleichermaßen total in Ordnung, wenn meine Kinder das genauso machen oder eigene Worte finden.
Fazit
Ob “Schlampe”, “Zicke” oder “Arschloch” – ganz egal, was dein Kind sagt, es tut gerade sein Bestmögliches, sich um sich zu kümmern.
Und genau deswegen sind die Schimpfwörter meines Kindes für mich wahre Liebeserklärungen. Denn es sind Wörter, mit denen mein Kind nach mir ruft, mich um Hilfe bittet, mich einlädt, genauer hinzuschauen und mich mit ihm zu verbinden.
Versuchst du die Gefühle und Bedürfnisse hinter den Schimpfwörtern deines Kindes herauszufinden, schenkst Empathie und lässt es spüren, dass es okay so ist, wie es ist – ohne Scham oder Schuldgefühle.
Gleichzeitig vermittelst du ihm, wie es auf Dauer anders kommunizieren kann.
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