Diese Situationen kennen wir alle:
Kind A verhält sich einem Kind B gegenüber übergriffig (Beißen, Schlagen, Beleidigung etc.). Die Aufsichtsperson beobachtet das Verhalten, stuft es als „falsch“ ein und bringt nun Kind A dazu, sich bei Kind B zu entschuldigen. Das kommt so oder so ähnlich tausendfach jeden Tag auf Spielplätzen, in Kitas und Familien vor. Eltern, Erzieher, Lehrer, Großeltern – sie alle halten die Entschuldigung von Kind A für nötig, um das Kind B geschehene Unrecht auszugleichen. Auch die meisten von uns Eltern wurden so erzogen – wir kennen es also erst mal nur so.
Das wollen wir keineswegs verurteilen. In der GfK gibt es kein „Richtig“ und kein „Falsch“ – nur verschiedene Wege. Doch wir würden mit einer wie oben beschriebenen Situation anders umgehen. Welche Handlungsalternativen du hast, wie das mit dem Bedauern genau funktioniert und warum ich bedaure, statt mich zu entschuldigen – hier erfährst du es.
„Wie lernt mein Kind sich zu entschuldigen?“
– in der GfK uninteressant!
Wie oben schon geschrieben: In der GfK gibt es kein „Richtig“ oder „Falsch“, und damit zusammenhängend auch keine Schuld und damit keinen Schuldigen. Und dann ist es logisch, dass es auch keine Entschuldigung gibt.
Wir interessieren uns viel mehr für die Bedürfnisse, die dahinterstecken. Warum hat Kind A sich eigentlich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten? Welches Bedürfnis hat es sich damit zu erfüllen versucht? Und welche alternative Strategie könnten wir gemeinsam mit Kind A erarbeiten, damit es sich sein Bedürfnis erfüllen kann, ohne gegenüber Kind B übergriffig zu werden? Und schon sind wir am Beginn einer sehr spannenden Reise zur Gefühlswelt des Kindes. Statt als Autoritätsperson eine Entschuldigung abzuverlangen, gehen wir in die Verbindung mit dem Kind und erarbeiten friedvolle Strategien zur Bedürfnisbefriedigung und ein Erziehen ohne Schimpfen An die Stelle des Sich-Entschuldigens tritt das Bedauern. Es ist doch viel authentischer und auch wertvoller, wenn wir uns wirklich und ehrlich mit dem auseinandersetzen, was da passiert ist.
Ich würde dann statt „Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich gerade so laut geworden bin“ vielleicht sagen „Ich bedaure, dass ich gerade so laut geworden bin“. Das sieht im ersten Moment vielleicht noch Wortklauberei aus, doch ich denke, dass sich dadurch eine andere Art von Haltung ausdrückt.
Merke:
Denn es nimmt auch Verantwortung vom Kind. Allzu oft ist es doch so, dass unsere „Entschuldigung“ mit Vorwürfen an das Kind verbunden ist, also beispielsweise „Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich gerade so laut geworden bin. Aber es regt mich einfach echt auf, dass du immer deine Sachen überall liegen lässt.“ Damit bleibt das Kind „schuld“ an unserem Verhalten. Doch für unser Verhalten sind wir ganz allein selbst verantwortlich, und auch das drücken wir aus, wenn wir unser Verhalten „bedauern“. Und: Wir wollen raus aus dem Verurteilen und rein ins Verstehen.
Ein praktisches Beispiel: einmal mit Entschuldigung, einmal ohne
Alles nett und schön, doch im Moment noch zu theoretisch? Ich mach mal ein praktisches Beispiel aus dem Elternalltag. Stell dir bitte zwei Kinder vor, die im Sandkasten sitzen. Kind 1 haut Kind 2 die Schaufel übern Kopf. Kind 2 schreit.
Was denkst du, wenn du die Situation beobachtest? Vielleicht so was wie „Das macht man doch nicht“ oder „Das Kind sollte sich entschuldigen“.
Jedenfalls würden viele Leute Kind 1 als „Täter:in“ wahrnehmen, als Schuldige:n – eben denjenigen bzw. diejenige, der oder die sich zu entschuldigen hat.
Schauen wir uns die gleiche Situation mal von einem Ansatz der bedürfnisorientierten Erziehung aus an. Wir gehen davon aus, dass kein Mensch dem anderen etwas antun, um ihn zu ärgern, sondern jeder Mensch auf eine bestimmte Art und Weise handelt, um sich ein Bedürfnis zu erfüllen.
Zugegeben:
Die Strategien sind mal mehr, mal weniger zielführend. Stellen wir uns etwa vor, das Kind aus dem Sandkastenbeispiel hat eigentlich das Bedürfnis nach Ruhe und der Schlag mit der Schaufel ist ein Ausdruck davon, dass es lieber allein im Sandkasten wäre: Dann wäre sein Handeln vermutlich von wenig Erfolg gekrönt, denn Kind 2 schreit jetzt wahrscheinlich und zudem kommt noch mindestens ein:e Erwachsene:r hinzu, der oder die sich um Kind 2 kümmert und womöglich von Kind 1 eine Entschuldigung verlangt.
Und deshalb sind diese Situationen eigentlich so wertvoll, denn wenn wir zu verstehen versuchen, was das Bedürfnis des Kindes ist, dann können wir ihm dabei helfen, alternative Strategien zur Bedürfnisbefriedigung zu erlernen – die erstens zum gewünschten Ziel führen und zweitens keine anderen Menschen in Mitleidenschaft ziehen.
Bedauern statt Entschuldigen – was bedeutet das für dich selber?
Diese andere Sicht hilft dir bei der Begleitung deines Kindes. Und wenn du die Sache mal mit mir bis zum Ende durchdenken magst, hat das Prinzip „Bedauern statt Entschuldigen“ auch für dich ganz persönlich Konsequenzen.
Welche das sind?
Na, du wirst trotz deiner Bemühungen und deiner Orientierung an den Grundsätzen der GfK immer wieder in Situationen kommen, in denen du dich anders verhältst, als du das gerne tun würdest. Wie befreiend ist es, wenn du dich davon befreien kannst, dich dafür schuldig zu fühlen, wenn du aus der Selbstverurteilung rauskommst!? Wie zielführend ist es, stattdessen zu überlegen, WARUM du dich so und so verhalten hast, welches Bedürfnis dahintersteckt und wie du dir dieses Bedürfnis auf zielführendere Art und Weise erfüllen kannst?
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„Mein Kind entschuldigt sich ständig!“ – Was tun?
Inzwischen verstehst du bestimmt, dass es aus meiner Sicht wenig bedenklich ist, wenn Eltern zu mir kommen und fragen: „Was soll ich tun? Mein Kind entschuldigt sich nie!“ Ich würde ihnen dann erklären, warum ich selbst inzwischen auf das Entschuldigen verzichte.
Doch was, wenn dein Kind sich ständig entschuldigt? Immerhin wird es unseren Kindern ja von vielen Seiten so beigebracht: Omas und Opas, Erzieher:innen und andere Mütter – sie alle verlangen Entschuldigungen ab, da sonst das Kind als respektlos angesehen wird. Wenn dein Kind sich ständig entschuldigt, zeigt das also zunächst mal seinen Willen zur Kooperation: Es möchte sich „richtig“ verhalten.
Dahinter steckt wiederum ein anderes Bedürfnis, zum Beispiel möchte es vielleicht gemocht werden und hat ein unerfülltes Bedürfnis nach mehr Zuneigung. Oder es hat ein großes Bedürfnis nach einem friedvollen Miteinander. Wenn dir auffällt, dass dein Kind sich ständig entschuldigt, dann lohnt es sich bestimmt, hier in die Verbindung mit dem Kind zu gehen und gemeinsam herauszufinden, welches Bedürfnis hinter diesem Verhalten steckt.
Fazit
Sorry, Entschuldigung, Pardon: In unserer Gesellschaft wird sich ständig entschuldigt. Als Kinder bekommen wir vermittelt, dass es wichtig ist, sich zu entschuldigen, wenn man sich „falsch“ verhalten hat.
Das sitzt dementsprechend tief in uns drin und das Prinzip „Bedauern statt Entschuldigen“ ist so radikal anders, dass es sicher erst mal schwerfällt, sich da reinzufuchsen.
Doch ich denke, dass sich das Umdenken lohnt, denn es ebnet uns den Weg für mehr Verständnis für unsere Kinder und uns selbst – und den Weg zu wirklich zielführenden Strategien zur Befriedigung unserer unerfüllten Bedürfnisse.
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