Heute nehme ich mir mal wieder ein Thema vor, über das Eltern ungern nachdenken, geschweige denn sprechen: das Lieblingskind. Hast du den Eindruck, dass du ein Lieblingskind hast? Oder ist es in deiner Familie so, dass sich ein Kind zurückgesetzt fühlt?
Ich finde das Thema super spannend, weil wir so viel lernen können, wenn wir uns damit beschäftigen: über unsere Kinder – vor allem jedoch über uns selbst. Und weil es um das so elementar wichtige, überlebenswichtige Bedürfnis nach Liebe geht.
Warum habe ich überhaupt ein Lieblingskind?
Ich würde sagen: Es gibt kein Lieblingskind. Es gibt Kinder, die ich schneller oder einfacher verstehen kann – und Kinder, bei denen es mir schwerer fällt. Den Kindern, die ich schneller verstehe, fühle ich mich vielleicht näher. Zum Beispiel wenn ich mich selbst für Fußball begeistere – dann habe ich viele verbindende Momente mit meinem Kind, das total fußballbegeistert ist. Oder wenn ich künstlerisch veranlagt bin: Dann fühle ich mich meinem Kind nahe, das sich im Malen oder Musikmachen vertiefen kann.
In manchen Fällen ist uns also das Kind näher, das uns ähnlich ist: Weil wir leichter nachempfinden können, was in dem Kind vorgeht. Manchmal triggern uns allerdings gerade die Kinder, die uns sehr ähnlich sind. Weil es uns auf die Palme bringt, dass wir Eigenschaften im Kind gespiegelt sehen, die wir an uns selbst vielleicht ablehnen.
Dann fühlen wir uns eher dem Kind näher, das all die Eigenschaften hat, die wir gerne hätten. Da gibt es keine Gesetzmäßigkeit. Viele von uns nehmen die eigenen Kinder als Spiegel der eigenen Persönlichkeit wahr. Und da sehen wir manchmal Dinge, die wir mögen – und manchmal Sachen, die wir weniger gerne sehen.
Ich möchte es noch einmal betonen, weil ich es echt wichtig finde: Es gibt kein Lieblingskind. Es gibt Kinder, mit denen mir das Zusammenleben leichter fällt, und Kinder, bei denen es herausfordernder ist. Und das hat Gründe. Doch die Gründe liegen in mir und keinesfalls im Kind.
Meine Liebe zu meinen Kindern ist grundsätzlich gleich. Nur lebe ich sie gegebenenfalls unterschiedlich. Also: Die Strategien, um das Bedürfnis Liebe zu erfüllen, können bei den Kindern unterschiedlich sein. Da gibt es für mich kein „weniger“ oder „mehr“ oder „besser“ oder „schlechter“. Liebe ist Liebe.
Hast du ein schlechtes Gewissen, weil dir das Zusammensein mit einem der Kinder leichter fällt als mit einem anderen? Lasst uns rauskommen aus diesen Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen! Lasst uns Bedürfnisse ergründen und Strategien entwickeln!
Spannend ist ja zum einen: Wie erfüllt sich dein Bedürfnis nach Liebe bei deinen Kindern – es können je nach Kind ähnliche oder unterschiedliche Strategien sein. Ebenfalls interessant ist auch die Frage: Wie erfüllt sich das Bedürfnis nach Liebe bei deinen Kindern? Und da würde ich sagen, ab dem Alter von etwa drei Jahren kannst du deine Kinder schon mal fragen: „Mama-Liebe / Papa-Liebe, was ist das für dich?“ Mit drei wird die Antwort eher einsilbig ausfallen. Je älter dein Kind ist, desto mehr Silben wird die Antwort haben. Also: „Was bedeutet für dich Mama-Liebe? Wodurch erfüllt sich Papa-Liebe bei dir? Was kann ich dafür tun?“ Das wird sehr unterschiedlich sein bei deinen Kindern. Bei meinen Kindern ist das definitiv sehr verschieden, schon allein aufgrund des Alters: Mein Sohn ist 17, meine Tochter 8.
Jede Antwort auf diese Frage ist in Ordnung! Jedes Kind darf andere Strategien haben. Es ist einfach so spannend, darüber zu sprechen: „Wie erfüllt sich dein Bedürfnis nach Mama oder Papa-Liebe?“ Und bei manchen Kindern fällt es uns eben leichter, das Bedürfnis zu erfüllen, und bei anderen schwerer.
Es gibt kein „Ich liebe mehr oder weniger“, nur: Ich kann anders lieben, weil meine Strategien anders sind. Das Bedürfnis jedoch ist dasselbe. Und ich kann meinen Kindern auch vermitteln, wie sich mein Mama-Liebe-Bedürfnis erfüllt.
Nämlich zum Beispiel:
- wenn du morgens mein Gesicht streichelst,
- wenn ich ein Bild von dir bekomme,
- wenn ich dich angucke.
- Abgesehen davon liebe ich dich, weil du mein Kind bist.
Das ist einfach ein naturgegebenes Gesetz: Ich liebe dich, weil du mein Kind bist.
Was macht es mit den anderen Kindern? Die Auswirkungen eines Lieblingskindes auf die anderen Kinder
Über die Rivalität unter den Kindern einer Familie um die Elternliebe wurde einiges gesagt und geschrieben. Die Liebe der Eltern ist für Kinder überlebenswichtig. Deshalb achten Kinder aufmerksam auf Signale, ob Mama oder Papa ein Lieblingskind haben. Das können feine Unterschiede sein, die uns vielleicht zunächst unbewusst sind.
Wenn eines meiner Kinder sagt, dass ich den Bruder oder die Schwester mehr lieben würde, so ist das ein Eindruck meines Kindes. Ich bleibe dabei: Wir lieben alle unsere Kinder – keines „mehr“, keines „weniger“, das ist ein Naturgesetz. Wenn also eines meiner Kinder Sorge hat, ich würde ein anderes Kind bevorzugen, so würde ich fragen: „Woran spürst du das?“ Und aufmerksam zuhören. Denn so kann ich verstehen, mit welchen Strategien sich mein Kind das Bedürfnis nach Mama-Liebe erfüllt.
Denn, und das ist eine der Grundannahmen der Gewaltfreien Kommunikation: Wir haben alle dieselben Bedürfnisse, und ganz wichtig, eben das Bedürfnis nach Liebe. Die Strategien, sich dieses Bedürfnis zu erfüllen, können jedoch sehr, sehr unterschiedlich sein.
Bedeutet das, dass man die anderen Kinder weniger lieb hat?
Wenn du das Gefühl hast, dass du ein Lieblingskind hast, dann frag dich mal: Welche Strategien braucht es für die Liebe zum anderen Kind? Denn Liebe ist nie „besser“, „schlechter“, „mehr“ oder „weniger“. Nur die Strategien sind anders..
Was hat die Lieblingskind-Thematik mit dir zu tun? Was verrät das über dich? Möchtest du auch so sein wie dieses Kind? Oder brauchst du Hilfe, dein anderes Kind zu verstehen? Und welche Strategien helfen deinem anderen Kind, das Bedürfnis nach Mama- oder Papa-Liebe zu erfüllen?
Macht euch da gemeinsam auf die Reise. Und nimm gern immer mit, sag es vielleicht auch ganz deutlich jedem deiner Kinder: „Ich liebe dich, weil du mein Kind bist.“
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Was kann ich tun, wenn ich ein Lieblingskind habe? 3 Tipps, wie sich deine anderen Kinder nicht vernachlässigt und ungeliebt fühlen
Tipp 1: Behalte das Naturgesetz im Kopf
Du liebst jedes Kind. Da gibt es kein „mehr“ oder „weniger“. Die Liebe zu unseren Kindern, das ist einfach ein Naturgesetz. Es gibt eben Kinder, mit denen das Zusammenleben einfacher ist, und Kinder, die uns mehr herausfordern. Das schmälert keineswegs die Liebe.
Und dann dürfen wir auf die Reise gehen: Warum ist es mit einem Kind einfacher als mit anderen? Wie kann ich das gestalten? Wie kann ich die Bedürfnisse all meiner Kinder im Blick behalten? Und damit arbeitest du dann direkt an Strategien – und hörst auf, die Liebe zu einem deiner Kinder in Frage zu stellen.
Tipp 2: Erforsche dich selbst
Hast du das Gefühl, ein Lieblingskind zu haben? Das darfst du gern genauer hinterfragen: Woher kommt dieser Eindruck? Was fällt dir mit diesem Kind leicht, mit einem anderen schwer? Was sagt das über dich aus: Fällt es dir mit einem Kind leichter, weil es dir sehr ähnlich ist und du es schneller verstehst? Oder bringt dich dein Kind gerade deshalb auf die Palme, weil es dir so ähnlich ist?
Tipp 3: Geh mit deinem Kind ins Gespräch
Du hast den Eindruck, dass sich eines deiner Kinder zurückgesetzt fühlt? Das bedeutet, dass sein Bedürfnis nach Liebe ein Stück weit unerfüllt ist. Findet gemeinsam heraus, was dein Kind braucht, damit dieses Bedürfnis erfüllt ist. Das ist je nach Alter und Persönlichkeit deines Kindes etwas völlig anderes. Strategien könnten etwa sein, dass das Kind dich eine halbe Stunde am Tag nur für sich hat oder auch, dass es mehr körperliche Nähe von dir bekommt. Wie gesagt: Das hängt ganz vom Kind ab.
Zusammenfassung
Wir lieben unsere Kinder. Das ist Fakt, das ist Naturgesetz. Es gibt da kein „mehr“ oder „weniger“, kein „besser“ oder „schlechter“. Es gibt einfach nur Liebe.
Mit manchen Kindern fällt uns das Zusammenleben leichter als mit anderen. Das berührt in keiner Weise die Liebe zu den Kindern. Es ist die Einladung zu einer spannenden Reise, um herauszufinden, wie das Bedürfnis des Kindes nach Mama- oder Papa-Liebe und die Bedürfnisse der Eltern im Zusammenleben mit dem Kind erfüllt werden können. Für diese Reise wünsche ich euch von Herzen alles Gute und wertvolle Erkenntnisse!
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Relevante Podcast-Folgen:
- Folge 26: F - wie Fürsorge statt Meckern. Strategien für mehr Selbstliebe im Alltag. Teil 1.
- Folge 62: H - wie Herausforderungen im Alltag einer bedürfnisorientierten Elternschaft: Wie gehe ich mit Zeitdruck um? Teil 1.
- Folge 63: H - wie Herausforderungen im Alltag der bedürfnisorientierten Elternschaft: Wie bekomme ich alle Bedürfnisse unter einen Hut? Teil 2.

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