Vorab, liebe Leserin:
Ich fühle dich. Klar, ich habe bei meinen Beratungen viele Paare, die gemeinsam den Weg hin zu einer friedvollen Elternschaft gehen. Doch mindestens genauso oft kommen Mamas zu mir, die eine große Sehnsucht haben nach einer Elternschaft ohne Schimpfen und Schreien – doch der Vater hat hierzu eine andere Haltung.
Ja, dann gibt es Konflikte. Weil du dich als Mama schützend vor dein Kind stellst und um seine emotionale Unversehrtheit besorgt bist. Weil du deine eigenen Grenzen spürst, wenn der Vater das Kind schimpft oder anschreit. Gleichzeitig weißt du, dass es für deinen Partner umso herausfordernder wird, wenn du in bestimmten Situationen eingreifst und in die Führung gehst.
Diese Konflikte dürfen sein. Lass uns mal schauen, was es mit der Papa-Wut auf sich hat, warum Väter Schimpfen oft für eine angemessene oder auch notwendige Maßnahme halten und wie wir solche Konfliktgespräche mit den Vätern führen können.
Wieso schimpft der Vater ständig mit dem Kind?
Zur Erinnerung und damit wir gemeinsam zu unserer Haltung finden …: In der GFK möchten wir auf Bewertungen verzichten. Wenn nun eine Mama zu mir kommt und sagt: „Der Papa schimpft ständig mit unserem Kind“, dann würde ich genau da anfangen: Diese Einordnung „schimpft ständig“ ist ja zunächst mal eine Interpretation der Mama.
Ich würde nachhaken:
Was sagt der Papa denn genau? Das wäre der erste Schritt in der Gewaltfreien Kommunikation: Ich beobachte die Situation, ohne sie zu bewerten. Also: Was sagt der Papa, und wie sagt er es – in welcher Lautstärke, mit welcher Körperhaltung?
Dann beschreibt die Mama mir, was sie beobachtet hat. Und ich frage sie: „Du machst dir da Sorgen, ja? Weil dir die emotionale Gesundheit eures Kindes wichtig ist?“ Und dann würde diese Mama wahrscheinlich sagen: „Ja, genau.“
Okay, sag ich dann, damit können wir arbeiten.
Und ja: Es ist schon auch Arbeit. Oder sagen wir: eine Herausforderung. Alte Verhaltensmuster zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern – das fällt uns allen erst mal schwer.
Es ist eine spannende Reise, herauszufinden, warum der Papa unserem Eindruck nach „ständig schimpft“. Hier ein paar Impulse dazu. Vielleicht helfen sie dir, ins Verständnis zu kommen und ein fruchtbares Gespräch mit deinem Partner zu führen. Vielleicht helfen sie dir, die Bedürfnisse hinter den Aussagen deines Partners zu hören.
Überforderung
Hand aufs Herz – so sehr wir unsere Kinder lieben, manche Situationen triggern uns einfach total. Dann steigt der Zeiger in den roten Bereich und alle Stresshormone der Welt strömen auf einmal durch unsere Adern.
Dann startet unser Nervensystem so eine Art Notprogramm.
Je nach Charakter und den gemachten Lebenserfahrungen sieht das Notprogramm anders aus. Manche flüchten (gehen also beispielsweise aus dem Raum), manche erstarren (und sind dann unfähig, irgendwas zu machen oder zu sagen) und manche kämpfen. Tja und im Kampfmodus wird es laut und potenziell gewaltvoll, was ja verbale Gewalt einbezieht.
Hilflosigkeit
Hilflosigkeit wird oft zu Aggressivität. Hilflosigkeit bezieht sich in unserem Zusammenhang auf gefühlte Alternativlosigkeit:
Also wir sind erst einmal total unsicher, wie wir uns in herausfordernden Situationen anders verhalten können.
Und mal ehrlich:
Wenn jemand noch nie was von Gewaltfreier Kommunikation gehört hat, dann klingt das doch erst einmal total schräg: wiiieee, Erziehung ohne Schimpfen – man muss doch Grenzen setzen!! Erst nach und nach finden wir heraus, dass Grenzensetzen einwandfrei funktioniert – auch und gerade ohne Schimpfen.
Das Innere Kind übernimmt die Führung
„Das war schon immer so“ oder „So macht man das halt“ oder „Das hat uns doch früher auch nicht geschadet“ – das sind so innere Glaubenssätze, die in vielen von uns tief verankert sind.
Wir kennen es zunächst mal nur so:
Verhalten wird bewertet, und wenn es als „falsch“ verurteilt wird, so wird geschimpft.
Wir in der Elterngeneration sind ja in den allerwenigsten Fällen mit Gewaltfreier Kommunikation aufgewachsen.
Unser Inneres Kind ist noch heute verletzt, verängstigt, wütend, hilflos, unglücklich oder ohnmächtig. In Stresssituationen kommt das immer wieder hoch. Das dürfen wir bedauern. Gleichzeitig sind wir jetzt erwachsen und dürfen unser Inneres Kind umarmen, uns darum kümmern, es nachbeeltern.
So denkt ein Vater in der Regel über Konflikte und Erziehung
„Immer dieses Psychogelaber!“ Solche oder ähnliche Aussagen können schon mal von Kritiker:innen kommen, wenn wir über Gewaltfreie Kommunikation sprechen oder sie im Alltag leben. Mir fällt da auch immer mein Schwiegervater ein, der alle sechs bis acht Wochen so was sagt wie:
„Ach ja, Eltern heutzutage haben es ja schon schwer. Alles ist immer so dramatisch. Das war früher anders.“
Und ich sehe gleichzeitig, dass er als Vater von der Kindheit seiner Kinder wenig mitbekommen hat, weil er weitgehend abwesend war – sowohl häufig räumlich und zeitlich als auch vor allem mental.
Und so war es bei den meisten Familien, aus denen die heutigen Väter hervorgegangen sind: Der Vater war arbeiten, die Mutter für die Kinder zuständig.
Das heißt ja dann auch für heutige Väter:
In der Regel haben sie da kein Rollenvorbild, wie sie die Vaterschaft leben können, die sich für sie stimmig anfühlt. Da ist erst einmal eine Leerstelle. Jetzt können Väter, die sich aktiv mit ihrer Elternschaft auseinandersetzen, diese Leerstelle füllen: Indem sie sich überlegen, welche Haltung sie haben (wollen) und mit welchen Strategien sie diese in die Tat umsetzen möchten.
Doch es gibt auch Väter, die sich mit diesen Fragen bisher wenig auseinandergesetzt haben. Dann fehlen Alternativen zu dem, was sie aus der eigenen Kindheit kennen. Und das ist nun mal: Das Verhalten von Kindern wird von Erwachsenen beurteilt und wenn ein Verhalten als „falsch“ bewertet wird, so wird es bestraft: durch Schimpfen, Anschreien oder anderes.
Hinzu kommt ja auch noch, dass in Teilen der Gesellschaft noch immer diese Zuordnung vorherrscht, dass Frauen „weich“ und „schwach“ seien, weniger durchsetzungsstark und so was.
Und weil die Frauen nach dieser Denkweise Unterstützung brauchen, muss der Mann mit seiner Stärke und Durchsetzungskraft einspringen.
Also viele Männer fühlen sich da wahrscheinlich auch total unter Druck, Situationen mit einer Haltung zu lösen, die in diese Richtung von „starker Männlichkeit“ geht. Solche Denkweisen sind wenig hilfreich, gleichzeitig geht der gesellschaftliche Wandel halt langsam voran und vieles von diesen überkommenen Vorstellungen ist noch in den Köpfen.
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Was ich übrigens meinem Schwiegervater sage, wenn er unser Psychogelaber mal wieder „dramatisch“ findet: Dass wir das Ding mit der Gewaltfreien Kommunikation ja genau deswegen so geil finden, weil der Alltag dadurch weniger dramatisch ist. Und wenn auch du dir einen undramatischen Familienalltag voller Harmonie und Leichtigkeit wünschst, so hol dich gern mein kostenloses E-Book „Leichtigkeit im Familienalltag“. Darin findest du meine Top-Strategien und ganz viele Impulse für die Elternschaft, die du dir immer gewünscht hast.

Dein Mann ist unverbesserlich? 3 Tipps, mit dem Schimpfen des Vaters am besten umzugehen
Okay, also: Du und dein Partner, ihr habt unterschiedliche Vorstellung davon, wie ihr euer Kind beim Großwerden begleiten wollt. Das darf erst mal so sein. Gleichzeitig fragen wir natürlich: Wie gehen wir denn mit der Situation konkret um? Ich möchte einige Impulse dazu mit dir teilen.
Tipp 1: Respektiert eure unterschiedlichen Haltungen
Kennst du den englischen Spruch „Let’s agree to disagree?“
Also etwa so:
Wir sind uns einig, dass wir uns uneinig sind. Ich mag den Satz gern. Weil er für mich ausdrückt, dass jeder der Gesprächspartner eine bestimmte Haltung hat und dabei bleibt. Gleichzeitig sind wir offen für den Austausch und auch offen dafür, Verständnis für die Haltung unseres Gegenübers einzunehmen – ohne ihn oder sie für sein Verhalten zu bewerten oder zu verurteilen.
Tipp 2: Schütze in der konkreten Situation dein Kind
Folgende Situation:
Zwischen deinem Partner und deinem Kind kommt es zum Konflikt.
Dein Partner schimpft das Kind oder schreit es an. Du bist besorgt um die emotionale Unversehrtheit deines Kindes.
Hier wäre mein Impuls: Mache klar, dass hier für dich eine Grenze ist. Gehe als Mama zum Schutz des Kindes in die Führung. Du könntest etwa sagen:
„Stopp. Ich übernehme hier.“
Klaro, dann wird der Vater wahrscheinlich erst mal ausrasten, denn er will sich keinesfalls reinreden lassen.
Auch hier würde ich ganz klar die Grenze ziehen und in die Führung gehen, etwa so:
„Wir besprechen das nachher. Jetzt bin ich hier für unser Kind zuständig, ich übernehme.“
Ja, das ist herausfordernd. Keiner möchte Konflikte mit dem/der Partner:in provozieren.
Gleichzeitig:
Wenn wir die emotionale Gesundheit des Kindes gefährdet sehen, dann ist es unsere Elterliche Verantwortung, ins Tun zu kommen und Grenzen zu setzen.
Je nach Situation lässt sich das natürlich auch einladender gestalten. Du könntest beispielsweise fragen: „Brauchst du Unterstützung? Ich habe den Eindruck, dass es für dich gerade schwierig ist.“
Also in die Einfühlung gehen, Empathie zeigen. Die Überforderung des Partners sehen, seine Hilflosigkeit, seine Sehnsucht vielleicht auch – ohne ihn klein zu machen oder zu vermitteln, wir wüssten es besser.
Tipp 3: Bearbeitet euren Eltern-Konflikt in Gesprächen ohne das Kind
Die akute Situation mit dem Kind habt ihr irgendwie hinbekommen, den Tag weitergeführt – gemeinsam oder jede:r für sich.
Irgendwann ist es Zeit für ein Gespräch zwischen euch Erwachsenen, ohne euer Kind. Vielleicht am Abend nach einer herausfordernden Situation, vielleicht am darauffolgenden Wochenende, wenn alle etwas entspannter sind.
Dieses Gespräch könntest du beispielsweise so anfangen:
„Ich habe den Eindruck, dass du gerade in manchen Situationen mit unserem Kind überfordert bist. Fühlst du dich wohl damit, wie du mit unserem Kind redest?“
Und dann je nach Antwort deines Partners wären weitere spannende Fragen, die euch weiterbringen könnten:
„Was stört dich an der Situation? Willst du dich so verhalten, wie du dich verhältst? Bist du vielleicht hinterher manchmal traurig darüber, dass du schimpfst?“
Ich habe verstanden:
Du willst, dass es anders läuft. Deshalb liest du das hier gerade. Vielleicht nimmt dein Partner die Einladung an, mit dir zu sprechen und daran zu arbeiten, wie es anders sein könnte.
Ohne dass wir meinen, es besser zu wissen, und ohne dass wir unseren Partner bewerten oder verurteilen. Keiner von beiden Partnern entscheidet, was „richtig“ und was „falsch“ ist.
Und dann macht ihr euch gemeinsam auf die Reise hin zu einer friedvollen Elternschaft. Bäm, das wär’s. Denn dann wärt ihr einen großen Schritt weiter – als Eltern und als Partner.
Doch ich weiß:
So ein Gespräch kann auch anders laufen. Eure unterschiedlichen Haltungen prallen aufeinander. Lass uns mal durchspielen, wie das aussehen könnte.
Also du fragst so was wie:
„Willst du deine Vaterschaft mit Schimpfen leben? Fühlst du dich wohl damit?“
Der Papa sagt vielleicht:
„Ja, ich finde das muss so sein, dass ich auch mal lauter werde. Ich mach das so, wie ich es für richtig halte. Irgendwann ist auch mal Schluss.“
Du bist völlig anderer Meinung und erwiderst:
„Das habe ich gehört. Gleichzeitig ist hier für mich eine Grenze erreicht. Ich möchte, dass unser Kind ohne Schimpfen und Anschreien aufwächst. Bist du bereit, dass wir da gemeinsam drüber sprechen?“
Der Vater:
„Nein, bin ich nicht.“
Du:
„Hmmm. Du kannst das machen, wie du möchtest. Gleichzeitig: Wenn ich im Raum bin, werde ich mich auch für meine Grenzen einsetzen und eingreifen. Wenn du allein mit unserem Kind bist, kannst du machen, was du für richtig hältst. Nur: Wenn ich da bin, werde ich mich einsetzen.“
Dein Partner:
„Das kannst du so nicht machen.“
Du:
„Doch, ich kann das so machen und ich werde es so machen. Unseren Konflikt können wir dann später bearbeiten. Wenn es dir missfällt, wie ich eingreife, können wir gemeinsam überlegen, wie es anders laufen kann.“
Vielleicht könnt ihr zum Beispiel ein Codewort entwickeln, dessen Bedeutung nur ihr beide kennt.
Damit ihr aus solchen Situationen unbeschadet rauskommt. Letztlich habt ihr ja die gleichen oder ähnlichen Ziele.
So was wie:
im Alltag soll es möglichst flutschen; das Kind soll Orientierung und Sicherheit von euch bekommen und sowieso alles, was es zum Großwerden braucht; ihr liebt euch und wollt das Ding gemeinsam rocken.
Nur die Umsetzung ist manchmal herausfordernd.
Fazit
Dein Partner hat eine andere Vorstellung davon, wie er euer Kind beim Großwerden begleiten möchte.
Er hält Schimpfen, vielleicht sogar Schreien und andere Formen der Bestrafung entweder für angemessene Mittel – oder er wünscht sich zwar eine andere Form der Vaterschaft, hat jedoch keine Vorstellung davon, wie er das angehen kann.
Hey, das ist echt eine Herausforderung. Von Herzen wünsche ich dir, dass du mit der Haltung der GFK das Verhalten deines Partners respektierst, ohne es zu verurteilen. Gleichzeitig nimmst du deine Verantwortung als Mutter wahr, dort einzugreifen, wo bei dir eine Grenze überschritten ist und du das emotionale Wohlbefinden deines Kindes gefährdet siehst.
Dann braucht es ganz viele Gespräche. Es ist ein schmaler Grat, ja. Du setzt Grenzen, ohne deinen Partner für sein Verhalten zu verurteilen. Nochmal: Du darfst Grenzen setzen. Dein Gegenüber darf das doof finden. Da könnt ihr drüber diskutieren.
Für diesen Weg sende ich dir viel Kraft und Energie!
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